Vor Kurzem stellte ich fest, dass ich mich schön finde. Irgendwie erschreckend finde ich, dass ich das zum ersten Mal in meinem Leben so empfinde.
Ja, ich bin 30 Jahre alt und fühle mich endlich schön und wohl in meiner Haut. Warum das erst heute der Fall ist? Ich weiss es nicht, ich kann nur Vermutungen anstellen und euch meine Geschichte erzählen. Manchmal bin ich nicht mehr sicher, ob meine Erinnerungen wahr sind oder nur ein Konstrukt meiner Gedanken.
Vergangenheit

Ich anno 2009
Bis zu meiner Lehre hatte ich nie Probleme mit meinem Aussehen, zumindest nicht konkret. Während meiner Jugend in der Oberstufe gehört ich zwar nirgends dazu und war dementsprechend Einzelgängerin, aber ich war glaub ich zufrieden wie ich aussah. Ich hatte noch keine Gedanken an Diäten oder ähnliches verschwendet. Nach der Lehre kam ich in eine Beziehung und da weiss ich noch, wie der Wunsch abzunehmen aufkam. Rückblickend kam das früh auf, aber wegen mir und nicht, weil mein Freund mir sagte, ich sollte abnehmen oder so. Ich versuchte es mit Sport (Joggen, Fitnesscenter usw), ich ging zu einer Ernährungsberaterin, zum Chinesen und machte WeightWatchers. Mit Letzterem verlor ich dann auch mal 6 Kilo, in einem Jahr, aber immerhin. Ich hatte ein Ziel: Zum Offiziersball meines Partners wollte ich nur noch 57 Kilos wiegen – an diese Zahl erinnerte ich mich irgendwie noch, mal auf der Waage gesehen zu haben – und ein schönes Ballkleid tragen. Nun ja, nach 3 Monaten in Neuseeland hatte ich die zuvor abgenommenen 6 Kilos wieder drauf und bald darauf fand dieser Ball statt. Ich trug ein schönes Ballkleid, aber war nicht schlank(er als früher). Ich erinnere mich an einen Spruch von meinem Freund, den er einige Zeit später mal von sich gab: „Ich war damals schon ziemlich enttäuscht, hast du dein Ziel nicht erreicht hast. Ich habe mich so auf eine schlanke Rahel gefreut.“
Nachdem diese Beziehung vor rund dreieinhalb Jahren endete, hörten meine Gedanken zu meinem Aussehen nicht auf. Ich dachte mal mehr, mal weniger daran. Ich versuchte immer mal wieder, mit einem neuen Fitnessabo, einem neuen Gadget, einer neuen App und so weiter mein Körpergewicht zu verringern. Fressattacken, die ich schon viele Jahre hatte – mal mehr, mal weniger – waren immer noch da. Ich versuchte dagegen anzukämpfen. Irgendwann und irgendwie unbewusst, nein vor allem schleichend, entwickelte ich ein besseres Gefühl zum Essen. Was brauche ich wirklich, was esse ich nur aus Frust oder Lust? Auch Sport war mir mal wichtiger, mal weniger. Wirklich Kilos verloren habe ich nicht. Weil ich zu wenig konsequent war? Weil ich mir immer noch mehr Disziplin wünschte, aber nichts dafür tat?
Jetzt ist es anders

Sich schön fühlen
Als ich Anfang Mai drei Wochen in den Ferien auf La Réunion war, machte ich einige Male ein Moov-Training (Push-ups, Lunches, Crunches, Jumping Jacks, Squats, Plank) am Strand. Morgens um 7 Uhr trafen wir uns zu dritt und trainierten im Bikini. Lange, lange, lange war das für mich undenkbar. So viel Haut zeigen, wo ich mich doch so unwohl fühle? Dort war das kein Problem. Weil mich niemand kennt? Weil nicht so viele Leute da waren? Nein, kann ich heute sagen. Irgendwie hat’s zu diesem Zeitpunkt Klick gemacht. Ich habe mir keine Gedanken gemacht, was andere denken und ich habe mich in meiner Haut wohl gefühlt. Nicht nur das, ich fühlte mich schön.
Ich fühlte mich schön, genau so wie ich war.
In den vergangenen zehn Jahren brachte ich in etwa immer gleich viel auf die Waage. *** Update: Mein Höchstgewicht war wohl doch 74.9 kg am 1. April 2011. Gestern wog ich noch 68.6kg *** Heute fühle ich mich wohl. Heute fühle ich mich schön. Auch Zuhause, zurück in der Schweiz. Immer wieder überkommt mich das tiefe Gefühl.
Ich fühl mich schön
Dieses sich-schön-fühlen kam wohl auch durch mein Morgenritual, das ich wieder eingeführt habe, seit ich aus den Ferien zurück bin. Sport machen, Gedanken niederschreiben und Meditieren – Zeit für sich nehmen – das tut einfach gut.
Salü Radisli, Du fühlst Dich wohl, einfach, weil Du jetzt so sein kannst, wie Du willst und Du Dich vom Umfeld (Freunde, Kollegen, Medien, Modebranche etc.) nicht mehr betreffend Kilos diktieren lässt. . .. ;-). Tschüss. Matthias
Mein doppelter Respekt: zum einen, dass Du hier so offen beschreibst, zum anderen, dass du dich so annehmen kannst, wie du bist. ??
Vielen lieben Dank, Marcel! 🙂
Wow, danke für deinen ehrlichen und berührenden Beitrag!
Es gibt nichts Zermürbenderes, als ständig mit seinem Äusseren zu hadern. Es raubt einem so viel wertvolle Energie, die man für all die tollen Aktivitäten, Projekte und Momente, die uns das Leben ermöglicht, gebrauchen kann. Wir haben nun mal nur diesen einen Körper, in dem wir geboren wurden oder der wir eben SIND. Wie wert- und wundervoll er ist, merken wir oft erst, wenn er uns seinen Dienst versagt. Da kann ich nur Baz Luhrmanns inspirierende Ratschläge in seinem Song „Everybody’s Free (to Wear Sunscreen)“ zitieren:
Enjoy your body, use it every way you can
Don’t be afraid of it or what other people think of it
It’s the greatest instrument you’ll ever own
Dance, even if you have nowhere to do it but your own living room
Read the directions even if you don’t follow them
Do not read beauty magazines, they will only make you feel ugly
🙂
LG, Sandra